Flügel des Frankfurter Dominikaneraltars, Innenseite (Passion Christi; Auferstehung), Hans Holbein d. Ä.
Hans Holbein d. Ä.
Flügel des Frankfurter Dominikaneraltars, Innenseite (Passion Christi; Auferstehung)
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Dieses Werk ist Teil eines mehrteiligen Werks und besteht aus mehreren Teilen

Hans Holbein d. Ä.

Flügel des Frankfurter Dominikaneraltars, Innenseite (Passion Christi; Auferstehung), 1501


Gesamtmaß mit Rahmen
348,5 x 644 x 4,1 cm
Material und Technik
Mischtechnik auf Fichtenholz
Inventarnummer
HM 10-16
Erwerbung
Seit 1922 Dauerleihgaben des Historischen Museums Frankfurt am Main
Status
Ausgestellt, 2. Obergeschoss, Alte Meister, Raum 2

Texte

Über das Werk

Sieben Bilder und eine prominente Fehlstelle: warum fehlt im achtteiligen Passionszyklus eine Darstellung und was hat sie ursprünglich gezeigt?

Holbeins Altarwerk hat den Hauptaltar der Frankfurter Dominikanerkirche nur bis in die Barockzeit geschmückt, dann galt er als altmodisch und wurde durch ein moderneres Werk ersetzt. Vermutlich gingen schon zu dieser Zeit die Skulpturen des Altarschreins verloren; die Gemäldetafeln Holbeins hingegen wurden in den Klosterräumen aufgehängt. Um die doppelseitig bemalten Flügelbilder besser präsentieren zu können, wurden sie spätestens Ende des 18. Jahrhunderts gespalten. Dabei rutschte die Säge bei mehreren Tafeln aus und zerstörte die Malerei, so dass nur Fragmente übriggebliebene sind, die aber die verlorenen Szenen eindeutig bestimmen helfen: Im Zusammenhang der Passionsfolge war es die Grablegung, bei den Marienszenen die Verkündigung und die Geburt Christi. Nach der Auflösung des Dominikanerklosters im frühen 19. Jahrhundert kamen die meisten Bilder in den Besitz der Stadt, zwei Marientafeln und die Fragmente gelangten in den Kunsthandel und später in die Museen in Basel und Hamburg.

Mehr zum Werk

Antijüdische Bildpropaganda in der Darstellung der Passionsgeschichte

Fast jede erzählende Darstellung der Passion Christi des Spätmittelalters oder der Frühen Neuzeit weist antijüdische Tendenzen auf, mit denen die Ablehnung der Rolle Jesu als Messias durch die Juden verdeutlicht werden sollte. Der Frankfurter Dominikaneraltar geht über das Übliche aber deutlich hinaus. So finden sich hier nicht nur die traditionellen karikaturhaften Verzerrungen der Physiognomien der jüdischen Gegner Jesu, sondern auch ihre Gesten sind besonders aggressiv und herabsetzend: Es wird vielfach gedroht, zum Schlag ausgeholt, gespuckt oder gar obszön gestikuliert. Doch damit nicht genug, es wird auch die traditionelle Ikonographie einzelner Szenen verändert, um die Gegnerschaft der Juden gegenüber Jesus herauszustreichen: So zeigt die Auferstehung nicht nur die schlafenden - römischen - Grabwächter und die drei Marien, denen ein Engel das Wunder des leeren Grabes erläutert. Zusätzlich, und damit vom Üblichen markant abweichend, sind vier durch Erscheinungsbild und ihre Attribute (wie die am Gürtel hängende Geldkatze) als Juden charakterisierte Figuren prominent ins Bild gesetzt, die mit allen Anzeichen der Wut und der Ablehnung vom Ort der Auferstehung fliehen.

Innerhalb der katholischen Kirche nahmen die Dominikaner die Rolle der „Glaubenswächter“ und, als Inquisitoren, auch die der aktiven Verfolger angeblicher „Glaubensfeinde“ ein. So beschäftigten sie sich auch immer wieder mit den Juden, um diese gewaltsam zur Konversion zum Christentum zu bringen. Das Bildprogramm des Frankfurter Dominikaneraltars ist ein besonders aggressives Beispiel für diese antijüdische Haltung.

Passionsspiele in Frankfurt

Der individuelle Nachvollzug der Passionsgeschichte Christi hatte für die Gläubigen in Holbeins Zeit eine zentrale heilsvermittelnde Bedeutung. Wie noch heute in Oberammergau wurden in vorreformatorischer Zeit auch in Frankfurt wie in zahlreichen anderen Städten regelmäßig zweitägige Passionsspiele in der Karwoche aufgeführt. Die Stadt mit ihren markanten Bauten und Plätzen war die Bühne dieses in die Gegenwart projizierten Jerusalem, die christliche Bevölkerung als Ganzes das Publikum, in Teilen zugleich aber auch das Ensemble der Schauspieler. Dabei stellten die Frankfurter Bürger nicht nur die Anhänger Jesu, sondern ebenso seine jüdischen Gegner und römischen Henkersknechte dar. Die jüdische Bevölkerung war nicht nur ausgeschlossen, sondern für die Zeiten der Aufführungen im Ghetto eingesperrt.

Der materielle und personelle Aufwand war so groß, dass die Passionsspiele nur sporadisch aufgeführt werden konnten, so in den Jahren 1480, 1492, 1498 und letztmalig 1506. Als „lebende Bilder“ wurden die einzelnen Stationen der Leidensgeschichte inszeniert und kommentiert durch die Darsteller der handelnden Figuren bzw. der Propheten und Evangelisten. Der Text liegt bis heute in der sogenannten „Frankfurter Dirigierrolle“ vor. So wie man sich bei der Inszenierung der Passionsspiele an den bekannten Bildern der Passionsgeschichte orientierte, so rief die Betrachtung der Bilder, etwa des Dominikaneraltars oder dieser Passionsdarstellungen von Sigmund Holbein, bei den Betrachtern die Erinnerung an die Passionsspiele und die eigene persönliche Anteilnahme unmittelbar wach.

Audio

  • Basisinformationen
    01:18
  • Fokus Frankfurt
    01:45
  • Fokus Kunstgeschichte
    01:45
  • Fokus Material
    02:02
  • Kunst für Kinder
    01:59
  • Kunst für Kinder 2
    02:25
  • Ausstellung „Holbein und die Renaissance im Norden“ (2023)
    02:25
  • Ausstellung „Holbein und die Renaissance im Norden“ (2023): Antijüdische Propaganda
    01:31

Werkdaten

Werkinhalt

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  • Alle

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Letzte Aktualisierung

18.07.2024