Über das Werk
Ohne öffentlichen Auftrag schuf Tübke zwischen1965 und 1967 elf Gemälde, 15 Aquarelle sowie etwa 65 Zeichnungen und Studien zur nationalsozialistischen Unrechts- und Terrorjustiz. Im Mittelpunkt des komplexen Zyklus „Lebenserinnerungen des Dr. jur. Schulze“ steht ein fiktiver Richter mit dem Allerweltsnamen Schulze. Er repräsentiert jene NS-Justizbeamte, die nach 1945 im Westen, aber auch im Osten, weiterwirken konnten. Anstoß für den Zyklus gaben insbesondere die Frankfurter Auschwitz-Prozesse.
Thematisch fügte sich Tübkes bedeutendstes zeitgeschichtliches Werk in die gegen Westdeutschland gerichtete DDR-Ideologie der Zeit. Gleichzeitig war es Teil eines gesamtdeutschen, kritischen Erinnerungsklimas. Als „Allegorie des Unrechts“ (Tübke) wurde der Zyklus ebenso auf die DDR-Verhältnisse bezogen – und offiziell beanstandet.
Auch dieses Aquarell gehört in den Kontext der „Lebenserinnerungen des Dr. jur. Schulze“. Es reflektiert über erotische Szenen Laster und Exzesse der bürgerlichen Gesellschaft als verstörende Parallelwelt zu den NS-Gräueltaten. Die Prostituierten aus „Straße in Brüssel (mit Selbstbildnis)“ (Inv. 18138) sind hier gleichsam zitiert. Daneben sind ein Rückenakt und ein bizarres Liebespaar zu sehen: Sprunghafte Erinnerungen und Assoziationen formen die Komposition des Aquarells.